In der Ballerburg ist etwas Entscheidendes anders als im „richtigen Leben“: Hier hat niemand eine Hand frei: alle sind permanent dabei zu stricken! Die Gründe sind mir auch schon erklärt worden. Es beruhigt. Man hat immer etwas zu tun und die monotone Tätigkeit beruhigt. Gleichzeitig hat Stricker(in) das permanente Gefühl der Produktivität. Außerdem bietet das Gleiten der Wolle durch die Hände einen haptischen Reiz. Welch wolllüstige Wolle!
Würden nur die Frauen Stricken – ich würde es für artgerechte Haltung halten und mich daran gewöhnen. (5€ in die Machokasse! Aber dieser Artikel wurde ja zu Beginn der Therapie geschrieben.) Aber es stricken auch die Männer! Da werden plötzlich Fachgespräche geführt. Maschen, Ränder, Maschenzahlen, sogar Strichlisten bezüglich der Reihen werden geführt. Endlich weiß ich mal wieder, wie es ist, eine Fachsprache nicht zu verstehen. Plötzlich habe ich Mitleid mit den Kindern, die ich mit HTML und CSS quäle. (Mitleid mit Schülern? Ich werde verrückt!… Ach ja, deswegen bin ich ja hier).
Übrigens gibt es hier einen Wollladen, der wohl deutschlandweit den größten Anteil an männlichen Kunden hat. Ob ich diese Information an RTL verkaufen kann? (Die waren immerhin schon sehr interessiert an meinen heimlichen Videomitschnitten aus den Lehrerkonferenzen).
Als BTFH steht es mir zum Glück zu, der Situation analytisch zu begegnen. Die Auswertung ergab: Ich werde mich noch einen Moment lang zieren und mir dann das Stricken beibringen lassen! Warum? Stellen Sie sich einmal vor, was passiert, wenn ich (a) während einer Konferenz oder – noch besser – (b) während des Unterrichts zu stricken beginne! Ab, zurück in die Ballerburg – bei drei Mahlzeiten täglich und Kaffee satt.
Also liebe Kollegen, die Lage ist ernst und Weinnachten naht: Ich wünsche mit das Rundum-glücklich-Paket „Grundausstattung Stricken“, bitte mit 9-er Nadeln und der aktuellen „Brigitte“.