Zu Zeiten des Matrizenkopierers (Nudelmaschine) war die Welt noch in Ordnung. Der Fotokopierer war noch nicht gefunden. Der Lehrer schrieb seine Texte auf eine Matrize, bei der der Druck des Stiftes die Vorlage verformte und mit diesem „Druckstempel“ wurde dann von Hand gedruckt – mit einer Kurbelmaschine.

Dies ist der letzte bekannte technische Stand, der Lehrern zuzumuten war. Beeindruckend fand ich den Pragmatismus eines Mathematiklehrers, der bis zu seiner Pensionierung seine alten Matrizen per Fotokopierer vervielfältigte. Manche Fächer haben eben weniger Neuerungen als andere.

Heute steht in jedem Klassenraum ein moderner Laserdrucker, zudem im Lehrerzimmer und in den Lehrerarbeitsräumen. Im „Druckzentrum“ stehen mehrere Kopierer, die in Wirklichkeit nur große Laserdrucker sind – mit Scanneinheit und Netzwerkanschluss.

Da die Kosten eines Drucks mit Laserdrucker mehr als zehnfach teurer sind als „Fotokopien“ – also Drucke des Laserkopierers im Druckzentrum, sollen keine Klassensätze auf den Laserdruckern gedruckt werden. Manche Kollegen halten sich daran.

Trotzdem betragen die Kosten für Tonerkartuschen einen fünfstelligen Betrag pro Jahr. Das Papier wird lastwagenweise gekauft und angeliefert. Etwa 75% des Papiers wird übrigens auch von Lastwagen wieder abgeholt – als Altpapier. Nirgendwo sonst auf der Welt beträgt die Quote an Fehldrucken mehr als die Hälfte des eingesetzten Papieres, das schaffen nur Lehrer. Aber wie?

Um einen ersten Eindruck des technischen Verständnisses eines Lehrers zu geben, betrachten wir einmal das typische Kopierverhalten:

Es wird ein Ausdruck gefertigt (Laserdrucker Lehrerzimmer), damit in Kopierzentrum (eine Etage höher) gegangen, sich an der Schlange angestellt, auf die Uhr gesehen, das Ende der Pause abgeschätzt und dann doch der Klassensatz auf dem Laserdrucker gedruckt.

Nun haben moderne Kopierer aber einen RJ45-Anschluss. In Fachkreisen auch als „Netzwerkanschluss“ bekannt. Die Frage, warum die Kopierer nicht im Netzwerk verfügbar sind, wurde mir mit einem klaren „geht denn das?“ beantwortet. Also versuchte ich mich am Eingabefeld des Kopierers, nachdem ich ihn ans Netzwerk angeschlossen hatte. Leider waren die Netzwerkdosen zwar mit einem Patchfeld verbunden, dieses aber nicht mit einem Switch, dies ist aber nur eine kleine Nebenproblematik, die ich in nachmittäglicher Kleinarbeit mit detektivischem Geschick lösen konnte.

Im frei zugänglichen Konfigurationsmenü des Druckers fand sich tatsächlich die Möglichkeit, den Druck über das Netzwerk freizugeben. Ein Versuch ergab, dass das Passwort „1234“ lautete – die Passwortkreativität von Kopiereraufstellern und Lehrern ist also auffällig ähnlich.

Nach einiger Forschungszeit mit den Treibern konnte ich dann eine Lösung präsentieren, mit der es möglich war, direkt auf den Kopierern zu drucken, sogar vom heimischen Schreibtisch aus.

Die einheitliche Reaktion der Kollegen war Begeisterung. Diese zeigten sie mit den Worten „Und was sollen wir damit?“. „Ganz einfach: Ihr müßt zum Drucken nicht mehr anstehen. Ihr druckt einfach direkt auf den Kopierer, vom Lehrerzimmer aus oder direkt vom Klassenzimmer aus – während die Schüler eine Aufgabe bearbeiten, kann schon der Klassensatz für die nächste Stunde gedruckt werden.“

Ein Vorteil der Methode liegt darin, dass die Bedienzeit am Kopierer – also Vorlagen sortieren und einlegen (Eine automatische Einzugseinheit ist schon sehr kompliziert) – die sehr viel Zeit verschlang und für lange Schlangen sorgte, jetzt wegfallen würde.

Auch wären die Drucke qualitativ hochwertiger, da durch das Ausdrucken und wieder einscannen ja Qualitätsverluste entstehen.

Dass es auch ohne weiteres möglich ist, über das Internet, von zuhause aus, die Kopierer mit Druckaufträgen zu versorgen, wollte ich erst nach einer größeren Akzeptanz der neuen Methode innerhalb der Schulräume verraten. Zu dieser Akzeptanz ist es nie gekommen. Die Kommentare lagen zwischen „Funktioniert nicht“ und „alles Scheiße“.

Ein echtes Problem war natürlich, dass es mehrere Kopierer gibt und die Kollegen teilweise damit überfordert waren, festzustellen, auf welchem der Kopierer sie gedruckt hatten.

Ein Kollege beschwerte sich zudem, dass die versprochene Verbesserung der Druckqualität nicht festzustellen wäre – Ihn begleitete ich deshalb einmal:

Zuerst setzte er sich an seinen Computer im Lehrerzimmer – soweit noch alles OK. Dann zog er eine Diskette (!) aus der Tasche. Disketten sind die Dinger, die es lange vor dem www oder den USB-Speicherstick gab, um Daten zu transportieren. Während mein USB-Stick 16GB Daten transportieren kann, hat eine Diskette die Speicherkapazität von 1,44MB. Mit etwas mehr als 10000 Disketten kann der Kollege also die gleichen Daten speichern wie ich – allerdings braucht er dafür etwa 100.000 mal so lange.

Als wir einmal versuchten, für eine Klassenraumausstattung PC ohne Diskettenlaufwerke zu bestellen, hatten wir tumultähnliche Zustände im Lehrerzimmer. Die Kollegen glaubten ihre Unterrichtsvorbereitungen für immer verloren! Schlagartig wurde mir klar, warum an den Beameranschlüssen auch immer noch ein Switch hängt, an dem ein VHS-Recorder angeschlossen ist. Technische (R)evolution muss für Lehrer eben sanft vonstatten gehen.

Als die Disketten aus den Verkaufssortimenten verschwanden – also vor etwa 15 Jahren – müssen meine Kollegen sich mit immensen Vorräten ausgestattet haben!

Jedenfalls schaffte der Kollege es, eine Textdatei von seiner Diskette zu öffnen und den Kopierauftrag zu senden. Bei der Zeit, die er dafür brauchte, wunderte es mich nicht, dass er das Schlangestehen mit einer Kopiervorlage bevorzugte.

Nach der Bestätigung des Druckauftrages wurde mir klar, warum die Qualitätsverbesserung durch den direkten Druck auf den Kopierer nicht gewährleistet war:

Er sendete einen Druckauftrag für ein Exemplar, ging hoch ins Kopierzentrum, suchte seinen Druck, legte ihn auf die Scannvorrichtung und kopierte dann seinen Klassensatz.

Ich habe die Kopierer vom Netzwerk getrennt und mich bei den Kollegen entschuldigt, eine noch nicht marktreife Technik eingeführt zu haben.

Inzwischen habe ich bei Ebay zwei Hektographiegeräte („Nudelmaschinen“) erstanden. Noch eine und ich kann das Kopierzentrum wieder auf Matrizenkopieren umstellen!

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