Mein erster Schultag – als Lehrer – liegt jetzt viele Jahre zurück. An meinem ersten Arbeitstag und an meine erste Pause erinnere ich mich genau. Ich kam in ein volles Lehrerzimmer und fand einen leeren Platz: Neben U. aus S. – sofort wurde ich als „der Neue“ erkannt. ..was ich nicht wußte: Der Schulleiter hatte meine Visitenkarte („Pilot und Held“ – ich war Pilot bei der Bundeswehr), die er beim Vorstellungsgespräch bekommen hatte, an das schwarze Brett gehängt.

In dieser ersten Pause lernte ich die Regel Nummer eins für Lehrer auf die immer wiederkehrenden Vorwürfe der Nichtlehrer: wir hätten vormittags recht und nachmittags frei und 13 Ferienwochen für A13 solle ich sagen: „Berufswahl ist eine Frage der Intelligenz“ – Danke, Udo. Leider habe ich es bisher immer falsch verstanden!

An meiner zweiten Schule lernte ich dann J. aus H. kennen. Er drückte den Sachverhalt etwas anders aus: „Wenn ich den Kerl erwische, der mir vor 40 Jahren geraten hat, Lehrer zu werden, den würde ich heute noch auf die Fresse hauen!“ Ist der Lehrerberuf also erstrebenswert? Was soll man als Lehrer einem jungen Menschen raten, der sich beruflich orientiert? Eine kurze Abwägung der Vor- und Nachteile des Berufes sei mir erlaubt, da überfällig.

Von „richtigen“ Akademikern werden Lehrer ohnehin nicht ernst genommen, sie gelten als „akademisches Proletariat“. Wer also als Seiteneinsteiger – ich bin Dipl.-Wi.-Ing mit mensageeignetem IQ – auf den Lehrerberuf einläßt, muss ziemlich viel Idealismus mitbringen. Leider verstehen die studierten „Pädagogen“ die großartige Entwicklungshilfe der Seiteneinsteiger nicht – vielmehr werden die „Praktiker“ im geistigen Niveau unserer Bildungstheoretiker auf Hausmeisterebene angesiedelt – und entsprechend angesprochen. Ich erlaube mir also den Vergleich meiner Situation im Lehrberuf mit einem Studienkollegen gleicher Qualifikation in einem Zivilberuf der freien Wirtschaft.

Übrigens versuchen die „Interessenvertreter des Leerkörpers(!)“ – in Person der Personalräte – regelmäßig, die Einstellung von Seiteneinsteigern zu verhindern. Solange ein studierter Pädagoge aufzutreiben ist, kommt kein Seiteneinsteiger ins Haus. (Egal,wie unfähig und ungeeignet der Pädagoge für die Stelle auch sein mag)

Beginnen wir mit der finanziellen Seite:

Der Akademiker in der Wirtschaft: Bekommt ein Gehalt,
der akademische Prolet: Bekommt 1/3 Gehalt und 2/3 Schmerzensgeld, in Summe etwa 50% des Kollegen in der Wirtschaft.

Natürlich bekommt der Akademiker auch ein 13., 14., … Gehalt – der akademische Prolet nach Kassenlage des Bundeslandes – also im Norden nichts oder Almosen. Natürlich wird ein Akademiker auch leistungsabhängig bezahlt, während der leistungsstärkste Akadekomiker genauso bezahlt wird wie der faulste. Der Leistungsanreiz durch finanzielle Vergütung ist also nicht gegeben.

Wie kommen die ehemaligen Studienkollegen zur Arbeit?

Der Akademiker in der Wirtschaft: Mit dem Dienstwagen, die Tankkarte „auf Firma“ liegt imHandschuhfach,
der akademische Prolet: Hier sind wir endlich einmal besser gestellt: Während mein akademischer Kollege seinen Dienstwagen als „geldwerten Vorteil“ versteuern muss, kann ich meine Monatskarte voll von der Steuer absetzten. Zwar könnte ich auch mit meinem Privat-PKW zur Schule fahren, das würde aber die Objektivität der Notengebung gefährden. Merke: Sechsen gefährden Lack und Reifen!


Wie sind wir mit Arbeitsmaterialien ausgestattet? Schließlich geht es um unsere Kinder, da müssen die Lehrer natürlich immer auf neuestem Stand und mit bestem Material versorgt sein!


Der Akademiker in der Wirtschaft: Hat einen Dienstlaptop, Mobil(smart)Telefon, Visiten- karten, Fachzeitschriften, …
der akademische Prolet: Bekommt eine „Lehrbestätigung“, mit der er 10% Rabatt bei Unimall bekommt – dort kann er sich dann jedes Jahr einen neuen Klappcomputer von seinem Gehalt kaufen und diesen natürlich von der Steuer absetzen. Das Gleiche gilt für Papier, Stifte …


Wichtig für gute Ergebnisse sind auch die Kollegen – das Auge „isst/arbeitet“ mit.


Der Akademiker in der Wirtschaft: Ist umgeben von Kollegen aller Altersklassen, die Herren im Anzug, die Damen im Kostüm. Die Haare der Männer sind kurz und gepflegt, bei den Damen modisch frisiert. Angenehme Düfte erfüllen die Luft.
der akademische Prolet: Ist umgeben von Kollegen, die ihre Kordhosen auch im Sommer auftragen. Bei den Schuhen beweisen die Dipl.- Wirtschaftslehrer die Brillianz ihrer Ausbildung. In die Uralt-Slipper wird nicht mehr investiert – auch nicht in Schuhcreme. Die Mehrzahl der Kollegen unterzieht sich einer regelmäßigen Haarpflege. Die vorherrschende Haarfarbe ist „Friedhofsblond“.


Wie sehen die Arbeitsräume aus?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Ein eigenes Büro, Konferenz- räume für Besprechungen, Aufenthalts- und Ruheräume.
der akademische Prolet: Überfüllte Klassenzimmer. Die nassen Jacken der Schüler und die Duschgewohnheiten derselbigen führt zu einem wahren Wohlfühlklima (für Bakterien) und schmeichelt jeder (verstopften) Nase. Die Teppiche werden in regelmäßigen Intervallen gereinigt (nach jedem größeren Krieg) und manchmal werden die Gardinen in ihrer 30-jährigen Dienstzeit zur Halbzeit einmal gereinigt. Das Mobiliar ist ergonomisch optimal, vorausgesetzt man ist 1,75m groß und wiegt 65,7kg.


Seit Asterix wissen wir um die Bedeutung des „Zaubertranks“, in der Arbeitswelt auch „Kaffee“ genannt. Wie wird die Arbeitskraft durch regelmäßige Darreichung gestärkt?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Der Kaffee wird regelmäßig durch die Sekretärin serviert.
der akademische Prolet: Die Sekretärin kann wechseln, falls der Lehrer keine Münzen für den Kaffeeautomaten dabei hat. Ein wenig Ruhe und Entspannung findet er beim meditativen Akt des Abspülens bzw. des Verräumens des Geschirrs in die Spülmaschine.


Welche anderen Erleichterungen verschafft einem der Arbeitgeber?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Hemdenservice, Massage am Arbeitsplatz, Arbeitsessen in Restaurants der gehobenen Klasse, …
der akademische Prolet: Kommunikations- und meditative Geduldsübungen in der Schlange vor dem Postschalter oder bei der Abgabe der Einschreiben an Schulschwänzer etc. (Den Beleg gut aufheben, sonst gibt es kein Geld zu- rück).


Wie wird die Mittagsmahlzeit eingenommen?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Im Führungskräftespeisesaal der Betriebskantine oder beim Italiener gegenüber,
der akademische Prolet: Die Zehnminutenpause von 13:10-13:20 muss reichen, um sich mit durchschnittlich 72,5 Schülern in der Schlange am Kiosk anzustellen. Die völlig überforderte „Brötchenfee“ schafft in der Regel 50% der Essensbewerber während dieser Zeit. Die Schüler erscheinen dann verspätet im Unterricht („die Schlange war zu lang“), der Lehrer unterrichtet mit leerem Magen weiter. Die anderen Pausen liegen deutlich vor oder nach der Mittagszeit – wieder Geld gespart!


Wie findet sich ein Partner oder eine Partnerin?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Auf dem Golfplatz, beim Tennis, in der Sauna oder beim Urlaub – natürlich außerhalb der Ferienzeiten, wenn keine gröhlenden Kinder am Pool sitzen und mann für die Beschallung durch Kinderlärm auch noch die überhöhten Ferienpreise zahlen muss;
der akademische Prolet: Ist mit einem Kollegen/einer Kollegin verbandelt und kann sich somit den Beitrag für den Golfclub, Tennisclub, usw. sparen… und ist somit in der Lage, sich den Urlaub zur Hauptsaison zu leisten.


Und wie werden die Abende verbracht?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Auf dem Golfplatz, beim Ten- nis, im Wintergarten, am Pool, …
der akademische Prolet: erst mit den Korrekturen, die mann am Wochenende nicht geschafft hat, zuvor mit Elterntelefonaten.


Wie lange dauert das Berufsleben?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Mit Mitte 40 reicht das Geld, um sich langsam aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen,
der akademische Prolet: Die schwere Depression führt irgendwann zur Frühpensionierung auf Harz IV,V,VI – Niveau.


Das multimediale Zeitalter beginnt, besonders Computer haben es den Jugendlichen angetan. E-Learning an Schulen und E-Kommunikation in allen Bereichen wird doch sicher eingesetzt?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Arbeitet mit CMS, Foren, Mail, PIM, …
der akademische Prolet: Es gibt an der Medienschule sogar schon Lehrer, die wissen, was Facebook ist. Die Mehrheit hat schon von der Möglichkeit gehört, dass es „elektronische Post“ geben soll. Manche wissen schon, dass Tippex nicht an den Monitor gehört. Aber: alle wissen schon, dass es keine Matrizenvervielfältigungsgeräte mehr gibt. Die Fotokopierbarkeit von Matrizenvorlagen wurde in Einzelfällen schon nachgewiesen.


Wie investiert der Arbeitgeber in die Marktwerterhaltung seiner Arbeitskräfte (Personalentwicklung)


Der Akademiker in der Wirtschaft: Regelmäßige Fortbildungen,
der akademische Prolet: Wir müssen aufgrund unserer überlegenen Auswahl – schließlich sind wir die Besten der Besten – nicht fortgebildet werden. Immerhin hat sich das www und die PC-Technik seit dem VC20 nicht signifikant verändert. Wer www-technik unterrichtet, muss schließlich nicht wissen, was ein FTP-Server ist – unnützes Wissen verschließt nur die Augen vor dem Wesentlichen. Fachliche Weiterbildung ist somit unnütz. Die pädagogische Weiterbildung leistet der „Elefantenfriedhof“ – also das Institut für Lehrerfortbildung. Dort findet mann die Kollegen, die „an der Front gescheitert sind“ aber deren Depressionen für eine Frühpensionierung noch nicht ausreichen. Die theoretisieren dann über zeitgemäße Pädagogik und haben von Tuten und Blasen (was ist Tuten?) in Wirklichkeit keine Ahnung.


Gibt es Zusatzaufgaben?


Der Akademiker in der Wirtschaft: dafür ist die akademische Arbeitszeit zu teuer und schließlich hat Gott (also FSM) die Sekretärin erfunden!
der akademische Prolet: Kollegialer Austausch beim vorunterrichtlichen Anstehen am Kopierer, Reinigen und Aufräumen der Klassenzimmer, Berufs- und Beziehungsberatung, Sozialhelfertätigkeiten, Sucht- und Drogenberatung, Kontaktaufbau zu Jugendämtern und Jugendgerichtshilfe, Unterstützung von schwangeren Jugendlichen bei Behördengängen und Wohnungssuche, pädagogische und normverdeutlichende Gespräche, Hausbesuche bei Absentisten, Repraturarbeiten für Schulinventar und Schul-IT, selbstorganisierte Kollegiumsweiterbildungen, Führen von wir-werden-immer-besser- Nachweis-Statistiken, kollegiale Unterrichtshospitationen und -reflektionen, Klassenkonferenzen, Disziplinarkonferenzen, Fachbereichskonferenzen, Bildungsgangskonferenzen, Zeugniskonferenzen, Gesamtkonferenzen und manchmal auch Vorbereitung zum Unterricht – aber nur wenn noch Zeit bleibt.


Welche anderen Kontakte – außer zu Kollegen – gibt es?


Der Akademiker in der Wirtschaft: Zu Kunden und ggf. zu externen Beratern und Dienstleistern
der akademische Prolet: Zu Schülern, die manchmal sogar unsere Sprache sprechen und weniger als 100 Fehltage pro Jahr sammeln und zu deren Eltern, die entweder keine der mir geläufigen Sprachen sprechen oder kein Interesse an der Ausbildung ihrer Kinder haben oder nicht wollen, dass ihr Kind einen Ausbildungsvertrag unterschreibt, weil Herr Hartz dann nicht mehr die große Wohnung voll bezahlt oder Eltern, die denken, dass ihre strunzdoofen Kinder Supergenies Marke Einstein sind und die blöden Lehrer nur nicht in der Lage sind, sie richtig zu motivieren.


Ich hoffe, ich konnte bei der Berufsorientierung helfen und wiederhole noch einmal:

Berufswahl ist eine Frage der Intelligenz!

Schlagworte